Keine einfachen Umstände, wenn es auch Schlimmeres im Leben geben mag... Nach 13 langen und schönen Jahren trennte sich nun zwischen den Jahren meine Frau Claudia von mir. Ich kam gerade frisch aus New York zurück, die Eindrücke noch nicht wirklich verarbeitet, präsentierte sie mir ihren Entschluss.
Ich hatte daran zu knabbern und stellte mir die Frage "bin ich noch auf Kurs und lebe ich mein Leben richtig und wenn nicht, wie soll ich sonst leben?" Ich stellte mein Training und alles in Frage. Sollte ich am Silvesterlauf versuchen die 40min auf 10km endlich zu knacken und bin ich überhaupt in der Verfassung dazu? Was soll ich sonst tun wenn nicht einfach weiter machen? Und warum auch nicht, macht es mich doch seit Jahren aus und glücklich und letztendlich, so Claudia, ist es nicht einmal der Grund für die Trennung. Also bereitete ich mich weiter auf den 10ner am 31.12.2016 vor......
Und jetzt kam alles anders als geplant. Am 23.12.2016 lief ich auf dem Weg zur Arbeit, völlig in Gedanken, gegen ein Straßenschild, ungedeckt und ohne Vorwarnung. Die Folge: Notaufnahme Darmstadt mit einer Platzwunde, die mit 7 Stichen und den Worten "das mit der Wettkampfvorbereitung können Sie vergessen", genäht und versorgt wurde. Also kein Bahntraining und 1 Woche Zwangspause um die Naht zu schonen. Ich war verärgert, weil wegen so einem blöden Unfall und voll austrainiert, einem so etwas gar nicht passt. Ich beruhigte mich mit den Worten "in der Ruhe liegt die Kraft, evtl. tut dir die Ruhe gut und du drehst dann erst richtig auf." Meinen Snowboardurlaub durfte ich antreten, wenn mir die Ärztin auch zur Vorsicht riet. Ich fuhr also an die Zugspitze und verbrachte dort eine wunderschöne Zeit mit meiner Freundin Christiane. Das Snowboarden klappte, wir kamen am 29.12.2016 zurück und am Folgetag wollte ich das erste Läufchen seit knapp einer Woche wagen. Denn so ganz ohne gelaufen zu sein an den Start zu gehen wollte ich natürlich nicht. Ein wenig wie eine lahme Ente fühlte ich mich und hatte auch das Gefühl nicht wirklich vorwärts zu kommen. Sei es wie es ist, ich werde starten, ich werde tun was ich kann und so kam es, dass ich zusammen mit Christiane und routiniert wie immer, meine Reise nach Frankfurt zum guten alten Stadion antrat.
"Wenn es an Silvester nicht schneit, interessiert mich der Lauf nicht, da kann ich auch im Sommer laufen gehen!" So einen Spruch brachte ich einst und ärgerte mich dann 2014 das ich nicht am Start stand, weil es geschneit hatte. Diesmal sollte es anders sein. Ich wärmte mich auf und startete in kurzen Klamotten wie üblich, es begann zu schneien und es wurde weiß in Frankfurt. "Bin ich doch zu leicht bekleidet?" Egal, jetzt gibt es kein Zurück mehr!
Der Startschuss. Ich bin in Front und freute mich so gut weg gekommen zu sein, natürlich knapp unter 3:50min/km. Das musste ich natürlich schnellstmöglich korrigieren!!! Irgendwie war es hart und frisch, konnte mich die ersten 3km kaum wärmen aber das Rennen nahm seinen Lauf. Es wurde wieder schwer, hart und ich fragte mich neben dem üblichen "was tust du da eigentlich?" ob es mir diesmal gelingen würde die 40min auf 10km endlich zu knacken. Ich merkte bei diesem Rennen irgendwie das es lief. Es war hart, aber es lief. So lasse ich es also laufen und komme irgendwann bei km 7 an. Notwendigkeit zum Trinken gab es keine und ich freute mich auf ein schönes Bier im Ziel und den Moment wenn ich erkennen würde es geschafft zu haben - falls dieser Moment mir gegönnt sei. Ich blickte mehr auf die Pace und weniger auf die gelaufene Zeit um mich damit nicht unter Druck zu setzen. Denn selbst wenn ich jetzt nicht im Soll war wollte ich es ebenso wenig wissen als wenn ich es denn wäre. Es würde mich irgendwie beunruhigen weil ich nicht recht wusste ob ich das weiter durchhalten würde.
Der Heartbreak Hill, so wird die Steigung ab diesem Kilometer genannt und die hat es tatsächlich gut in sich, zehrte schon an meinen Kräften und ich hatte etwas Mühe danach wieder auf Speed zu kommen. Spikes waren keine nötig und trotz dem Schnee und kaum Eis, hatte die Strecke gut Grip.
1000 Sachen gingen mir durch den Kopf... Die Zeit mit Christiane und die gemeinsame Freude mit ihr, für die selbe Sache zu brennen. ich genoss auf dem Hinweg mit ihr den schönen Winterwald und auf meine Frage hin "ist das hier nicht wunderschön", erhielt ich die Antwort "bezaubernd schön". Wie mag es ihr wohl gehen? Hoffentlich friert sie nicht, habe ich ihr doch geraten sich dünn anzuziehen, wobei sie natürlich ein anderes Wärmeempfinden als ich hat. Nun, muss sie halt schneller laufen, beruhigte ich mich und freute mich, selbst nur noch knapp 1,5km vom Ziel entfernt zu sein - Gott sei Dank... Denn langsam reichte es mir - wieder einmal...
Die nie näher kommende Stadion-Gerade tauchte auf und ich wusste, ab jetzt sind es noch 1000m die mich von Freude oder Trauer trennen werden - schaffe ich es nun endlich oder nicht? Das Ziel kam näher und ich traute meinen Augen nicht.... Da stand eine 37:25min!!! Ich wollte knapp unter 40min laufen und erzielte eine unter 38min Zeit?? Ich drehte beinahe durch! Noch würgend und die Sanitäter mit den Worten "wer nicht kotzt läuft nicht am Limit" beruhigend, freute ich mich unheimlich über diese bombige Zeit. Ich organisierte mir ein Bier und wurde kurzzeitig von etwas Unangenehmen auf den Boden der Tatsachen geholt: "Die Penner haben sich vermessen! Knapp 300m zu wenig gelaufen sind wir, Dilettanten!!! Wer hat denn da gepennt!!!??" Ich überlegte kurz und sagte: "Trotzdem Bestzeit! Definitiv!" Der Kollege stutzte und ich erklärte ihm: "Schau mal - von mir ausgehend: Wenn ich jetzt 300m zu wenig gelaufen sein soll und ich davon ausgehe das ich 4min/km laufe, dann wären das auf 500m doch 2min richtig? Ich laufe aber knapp unter 4min/km, eher im Schnitt eine 3:50min/km - 3:55min/km. Wenn du dich besser fühlst, gehe meinetwegen von einer 4min/km Zeit aus. Also wenn ich jetzt 2min auf 500m brauche und es 300m weniger waren, bin ich trotzdem nicht nur unter 40min auf 10km, sondern vermutlich noch knapp unter oder knapp über 39min!!! Damit habe ich mein Soll erfüllt und ich weiß ich wäre noch 300m weiter gelaufen 100%. Außerdem wie viele Läufe gibt es wo man 10,2km läuft? Klar ist es peinlich, gerade für Spiridon die hier routiniert sein müssten. Aber Fehler passieren halt."
Fazit: Hatte ich mein Soll erfüllt. Ob ich natürlich jemals eine 37km Zeit auf "echte" 10km erzielen werde, das sei dahingestellt. Fakt ist, ich laufe Marathon unter 3h, ich laufe 10km unter 40min.
Auch Christiane hatte eine supergeile Zeit erzielt. Sie wollte unter einer Stunde landen und das tat sie mit 55min deutlich. Ich empfing sie im Ziel mit einem Bierchen das wir uns teilten, wir holten uns noch 2 für jeden und machten uns dann auf zur Übergabe meiner neuen Wohnung. Pünktlich zum 01.01.2017 sollte ich also meine neue Wohnung beziehen dürfen, erhielt nach diesem geilen Rennen meine Wohnungsschlüssel und konnte den Umständen zum Trotz, tatsächlich noch im alten Jahr die 40min auf 10km knacken.
Jetzt, wo die beiden Ziele auf Marathon und 10km erreicht sind, gehen wir strammen Schrittes zum Deutschlandlauf über, wo eine ganz andere Herausforderung auf mich wartet. 1300km in 19 Tagen - auch das wird spannend werden wie dieses Event aus geht.