Man kann nicht alles wie ein kleines dummes Kind hinwerfen, nur weil's mal nicht so läuft wie man das will.

Beim legendären 24h Lauf in Dettenhausen habe ich schon immer leiden müssen. Egal ob beim ersten Mal oder bei den Folgeveranstaltungen. Die Strecke ist nicht mal so ohne und man sammelt tatsächlich über 1000 Höhenmeter, läuft man wie ich über 100 Meilen auf ihr. Nichts ist selbstverständlich und gerade bei diesen Distanzen lernt man das. Nur weil man auf 24h mal 180km oder mehr gelaufen ist heißt das noch lange nicht, dass es jedes Mal so klappen wird. Mein Ziel war es, "nur" 100 Meilen im Rahmen einer 24h Laufveranstaltung für den Spartathlon als Trainingslauf zu absolvieren. Mach niemals die Rechnung ohne den Wirt....

Ich für meinen Teil habe festgestellt, dass mir 100km Trainingsläufe oder Rennen vor einem Spartathlon einfach nicht reichen. Ab 100km betritt man eine andere Welt, nach 160km nochmal eine andere und jenseits der 200km ein anderes Universum. Will heißen, man kann nicht im Vorfeld planen was einem da passieren wird. Es sind zu viele Faktoren die eine Rolle spielen. Jedenfalls wollte meine liebe Christiane unbedingt ihren 2. 24h Lauf machen und Dettenhausen ist eine schöne Veranstaltung, zudem nicht allzu weit weg. Da ich ohnehin mindestens einen 100 Meiler vorm Spartathlon brauchte und derzeit keiner dieser Art um die Ecke stattfindet, bot sich dieser 24h Lauf dafür an. Mein Ziel war es, 100 Meilen dort nicht unbedingt auf Teufel komm raus Bestzeit zu absolvieren, sondern diese einfach souverän so zu laufen, dass ich mich an den vorgegebenen Cut off Zeiten vom Spartathlon orientiere. Marathon um 4:45h herum, 80km in 9:30h usw. Völlig egal welche Platzierung ich ab dieser Distanz habe, wollte ich das Rennen verlassen und schätzte mich da realistisch um die 20h herum ein. Ich hoffte das es schön heiß wird, dass ich auch noch Hitzetraining für Griechenland habe. Außerdem wäre es nicht klug, sich auf den 24h völlig abzuschießen und auf's Äusserste zu gehen, weil mir das in Bezug auf den Spartathlon nichts bringt. Das muss regeneriert werden und eine Garantie für ein Finish dort ist es auch nicht. 

 

Mit diesem Plan ging ich also am 18.07.2025 um 10:00 Uhr morgens an den Start und arbeitete mich voran. Bereits vor Marathon durfte ich erkennen, dass dieses Ziel heute schwer zu erreichen sein wird und es immer wieder aufs Neue einfach harte Arbeit ist. Das lässt sich nicht schön reden und es lässt sich auch nicht ändern. Man muss sich den Arsch aufreissen, will man was erreichen. Das ist das Ehrliche an dem Sport hier. Für Fehler die man macht bekommt man gnadenlos auf's Maul und zahlt diese unter Umständen mit einem hohen Preis. Es wurde gut warm mit 30 Grad und obgleich ich wusste was ich zu tun habe, wollte mir heute mein gewohnter Ernährungsplan mit Vitargo-Getränken, alkoholfreiem Bier, Nüsse, einfach nicht aufgehen. Das Vitargo schmeckte mir nicht und gab mir auch irgendwie nicht den nötigen Schub, Bier wollte nicht recht an mich und Nüsse essen war mir auch nicht so recht. Eine schöne Rinderbrühe wäre das einzige gewesen was mir hätte helfen können und ich hätte sie auch bekommen, wollte das aber noch nicht so früh im Rennen. Ich wollte realistische Bedingungen wie beim Spartathlon schaffen und nutzte das 24h Paradies somit nicht. Paradies deshalb, weil man ja alle 1,6km, welche die Strecke lang ist, bekommen kann was man will. Man kann sich dort alles was man heiß begehrt hinterlegen. Beim spartathlon kann man das bedingt, weil vieles in der Sonne kaputt gehen würde und es vor 80km z.B. gar nicht erst einen Teller Suppe gibt. Ab 80km brauch man auch Glück, dass noch welche da ist. Wenn man jetzt aber lernt flexibel zu bleiben und einfach mit dem leben muss was man hat, kann man sich in solch einer Situation besser helfen. Versteift man sich zu sehr auf Dinge, kann man ohne sie nicht sein und das kann einen im Rennen den Kopf kosten. Cola und Salz gingen an mich und so quälte ich mich bis ca. 80km weiter, bis ich die lang ersehnte Suppe bekam, die mir auch wirklich gut tat und half. 

 

Auf dem Weg zu den 80km musste ich leider auch feststellen, dass ich diese nicht in der geforderten Cut off Zeit von Sparta schaffen würde, es sind leider 15min mehr. In Griechenland wäre ich mit dieser Leistung jetzt also draußen! Da aber die Karten immer neu gemischt werden und es in Griechenland eine andere Startzeit, ein anderes Wetter, ein anderer Tag, etc. ist und ich auch nicht weiß wie es mir in 10 Wochen gehen wird, bringen mir diese Gedanken jetzt gerade gar nichts. Sich damit verrückt zu machen oder sich runter zu ziehen, helfen mir hier nicht weiter. Ich brauchte ein anderes Mind Set und musste mich neu orientieren und sortieren. Ich machte mir mental klar wo ich jetzt realistisch stand: "Die Cut offs sind nicht mehr greifbar, 100 Meilen evtl. nicht erreichbar und ich bin heute nicht so stark wie ich das im Normalfall sein könnte. Was also tun? 24h durchbeissen mit aller Gewalt oder gar vorher aussteigen? Was bringt mir ein Weiterlaufen?" Klare Antwort: "Beim Spartathlon kann mich so ein Tief wie gerade eben auch jederzeit treffen und ich sollte lernen da raus zu kommen. Ich kann gerade nicht mehr laufen und sollte einen Weg finden, immer wieder anzulaufen. Ich merke auch das ich laufen kann, habe aber Angst das zu riskieren weil ich einbrechen könnte. In meinem Fall hier scheißegal! Ich kann alles riskieren, weil das hier nur Training ist! Ich sollte die Zeit hier nutzen um weiter als 100km zu laufen und mehr Stunden auf der Strecke zu verbringen als bei einem normalen 100ter. Wenn ich 20h durchhalte wie geplant, kann ich sehen was ich bis dahin erreicht habe und es dann gut sein lassen. Dann habe ich 20h gearbeitet, meine Anatomie nicht völlig zerstört und könnte mich bis zum Spartathlon super regenerieren und habe eine Erfahrung mehr!" 

 

Also blieb ich weiter dran. Was aber ein weiteres Problem war, Christiane war ja auch noch da und der ging es auch nicht mehr gut. Die lief kaum und kämpfte sich einfach Stunde für Stunde durch. Ich war noch nie so geil auf einen Ausstieg wie bei diesem Rennen hier, gebe ich offen zu. Ich sah trotz meinem neuen Mind Set oben einfach keinen Sinn mehr hier weiter zu machen. Das Laufen tat sowas von höllisch weh und ich konnte das kaum länger als 2-3min am Stück aushalten, wenn überhaupt. Wenn ich jetzt aber nach knapp 13h raus gehen würde, dann tut das die Christiane unter Umständen auch und das will ich nicht! Auch wenn sie es im Nachgang verneint aber ob sie mental stark genug ist wenn ich raus gehe drin zu bleiben, ich weiß es nicht und will es auch nicht ausprobieren. Christiane war verdammt gut dabei und schaffte im Nachhinein gesehen die Gesamtplatzierung 18 mit 132km und das mit 63 Jahren und im 2. 24h Lauf, nachdem sie mit in Biel war im Juni 2025 und dort über 18h für 100km brauchte! Christiane ist eine tolle Ultraläuferin. Sie hätte das schon ertragen wenn ich nach 100 Meilen und um die 20h herum raus gegangen wäre, weil das von vornherein klar war und wir darüber gesprochen hatten. Jetzt aber nach 13h raus gehen nur weil mein Ziel nicht erreicht werden kann, das wollte ich weder ihr noch mir selbst antun. Jede Stunde mehr heute zählt und 20h sagte ich mir, muss ich mindestens drin bleiben. Danach wie gesagt kann man ja, um anatomische Schäden zu vermeiden, raus gehen. 

 

Also kämpfte ich weiter, auch wenn ich mein Ziel 100 Meilen nicht mehr wirklich sah und auch nicht, dass ich so bis 20h überhaupt durchhalten kann. Es erschien mir unerträglich und unerreichbar und nur zwei Dinge hielten mich aufrecht. 1. kommt nach einem Tief irgendwann auch wieder ein Hoch und 2. werden die Schmerzen meist nicht mehr schlimmer, sie sind einfach nur kontinuierlich da und gehen bis nach dem Zieleinlauf nicht mehr weg. Naja und dann sind da noch all die anderen Läufer die das ja auch ertragen hier. Ob es nun schlimmer ist Staffelläufer zu sein und die ganze Nacht Tempo zu bolzen oder die kompletten 24h alleine zu machen, ich weiß es nicht. Ich würde behaupten beides ist auf seine Weise hart. Jedenfalls kam die Nacht, ich hatte eine längere Sitzpause gemacht weil ich keine Lust mehr hatte und auch keinen Sinn mehr im Weiterlaufen sah und machte dann aber doch wieder weiter. Ich blickte nicht mehr wirklich auf die Uhr, lief einfach meinen Stiefel oder wankte wie ein Zombie weiter und irgendwann wurde es 06:00 Uhr morgens. Es waren nun 20h rum und ich zog Bilanz. Bis 100 Meilen wären das jetzt noch 18km! Um meine Ehre zu retten, müsste ich diese eigentlich jetzt erledigen. Ich meine, ich laufe nicht die kompletten 24h und käme dann heim ohne die 100 Meilen gepackt zu haben, das ist irgendwie Scheiße. Wenn ich jetzt unrealistisch weit davon weg gewesen wäre oder die kompletten 24h dafür gebraucht hätte, hätte man nochmal überlegen können ob das jetzt Sinn macht. Wobei ich Letzteres vermutlich auch gemacht hätte. Das kann man so aber schwer sagen weil es mir auch darum ging, mich nicht völlig abzuschießen wegen dem Spartathlon in 10 Wochen. Aber in meinem Fall hier war ich zwischenzeitlich gar nicht mal so mies drauf und lief sogar die ein oder andere Runde wieder komplett durch. Also wegen 18km die noch fehlen jetzt aufzuhören nur um bei 20h den Cut zu haben, das geht jetzt so nicht. Nein, lieber laufe ich die 100 Meilen und freue mich darüber, dass ich dafür keine 24h gebraucht habe und nach diesen 100 Meilen gehe ich dann definitiv ganz brav raus. Und genau so tat ich es. Dadurch das krumme Rundenzahlen sind, lief ich dann gesamt 162km statt der 161 aber egal. Wichtig nur, dass ich dieses wichtige Ziel erreicht hatte. Jetzt brauchte ich also 22:30h dafür und stieg 1,5h eher aus dem Rennen aus. Ich schaute noch ein bisschen nach Christiane und quälte mich damit, mein Zelt bei der aufsteigenden Hitze abzubauen, was auch nochmal echt schwer war. 

 

Fazit für dieses Rennen: Ich tat was ich konnte, lernte mit der harten Situation zu leben und umzugehen, erreichte die zum Ziel gesetzten 100 Meilen wenn auch außerhalb der gewünschten Zeit und hatte einen tollen Trainingslauf für den Spartathlon absolviert. Geil ist natürlich au

 

ch, trotzdem ich 1,5h eher ausgestiegen bin, behielt ich meinen 9. Gesamtplatz. Evtl. hätte ich da heute mehr erreichen können wenn ich weitergelaufen wäre, das war aber ja wie gesagt heute nicht das Ziel. Ich hoffe jetzt einfach in Griechenland stärker als hier zu sein und mache mit guter Hoffnung weiter. Ein Problem hier war auch, dass mein rechtes Knie warum auch immer von Beginn an weh tat. Das hat sich aber zum Glück nach ein paar Stunden rausgelaufen und war dann kein Thema mehr. Als es Thema war, machte es mich natürlich nicht schneller. Zu Hause angekommen, legte ich mich um 17:00 Uhr ins Bett und wachte vor 06:45 Uhr morgens am Folgetag nicht mehr auf. Das hatte ich so auch noch nicht und mir wurde dadurch wieder bewusst, was ich hier wieder an Leistung von meinem starken Körper abverlangt hatte.