Gemeinsam sind wir stark! Mit vollem Erfolg ins Jahr 2022 beim Calenberger Ultramarathon durchgestartet!!!

Der 7. Calenberger 100 Meilenlauf war ein absoluter Erfolg und ich werde vermutlich noch in 20 Jahren davon schwärmen und schmunzeln was wir hier abgezogen haben, um eine Qualifikation für den Spartathlon 2022 zu erreichen. Ein kleiner familiärer Ultramarathon irgendwo im Nirgendwo in Adensen, wo sich Hase und Fuchs "gute Nacht" sagen, trafen sich vom 31.12.2021 auf den 01.01.2022 ein paar Spinner, um ein kleines Silvesterläufchen von 100 Meilen zwischen Rössing und Adensen, immer hin und her, zu laufen. Der Lauf wurde zwar nicht für den Spartathlon ins Leben gerufen und kann ab 50 Meilen beendet werden, es war aber meine letzte Chance für 2022 noch eine Quali auf den letzten Drücker erhaschen zu können. Dies ging allerdings nicht ohne Komplikationen.....

Bild: 20x 600m sind auch 12km - die schwersten 12km der Strecke die ab 120km langsam hart werden.
20x 600m sind auch 12km - die schwersten 12km der Strecke die ab 120km langsam hart werden.
Bild: Eine Hammerfrau mit Hammerleistung! Christiane immer an meiner Seite quält sich mit mir durch´s Gelände
Eine Hammerfrau mit Hammerleistung! Christiane immer an meiner Seite quält sich mit mir durch´s Gelände

Damit die Griechen einen solchen Lauf auch als einen echten anerkennen, müssen mindestens 5 Leute das Ziel erreichen. Die Veranstaltung ist auf 25 Läufer begrenzt und gemeldet waren 15. Aufgrund der Corona Pandemie, hat die Regierung die Veranstaltung auf maximal 10 Leute begrenzt! Das birgt mehrere Probleme. Kurz gesagt macht man sich bei einem großen 100 Meilen Rennen keine Sorgen darüber, dass von - sagen wir 600 Startern, mindestens 5 Leute ins Ziel kommen. Auf 100 Meilen (also 161km), kann einem alles passieren und ich habe es ja schon mehrfach aus meiner Sicht gesagt, ich kann 100km noch recht gut kalkulieren, aber jenseits der 100km kann ich nie und für nichts garantieren, egal wie oft ich schon über 100km gelaufen bin. Niemand weiß ob er auf 100 Meilen ankommt und ob er sicher in seiner gewünschten Zeit ankommt. Ich jedenfalls wäre nie so überheblich das zu behaupten. Der Veranstalter Heiner Schütte ist ein Engel, ein wahrer Läufer, einer von uns! Ein Veranstalter, von dem manch großer Veranstalter eine Menge lernen kann. Heiner ist alleiniger Organisator des Rennens, kümmert sich um die Verpflegung, Zeitnahme, das gesamte Drumherum und dann geht er noch auf die Wünsche einzelner Teilnehmer ein. Ich stehe tief in seiner Schuld und muss das an dieser Stelle erwähnen was er alles auf sich genommen hat, damit ich meine Quali für Sparta bekomme. Erst mal hat er einige Teilnehmer ausladen müssen mit der Begründung das a) nur 10 Teilnehmer am Start stehen dürfen und b) nur diese Läufer teilnehmen sollen, die wirklich 100 Meilen laufen möchten. Wie gesagt, das Rennen darf offiziell mit Zeitnahme ab 50 Meilen beendet werden. Für die Griechen müssen aber 5 Finisher die 100 Meilen vorweisen. Übrig blieben jetzt 8 Teilnehmer, von denen 5 vor hatten, die 100 Meilen zu laufen. Heiner selbst wollte nur 70 Meilen laufen, hätte sich aber extra für mich da durch gequält um als 5. das Ziel zu erreichen, nur damit die Quali steht! Freunde, das kann man nicht in Worte fassen, solch einen Charakter muss man erleben und schätzen - DANKE HEINER UND DANKE ALLEN MITLÄUFER/-INNEN für´s Durchhalten, damit mein Rennen hier als Quali für 2022 gilt! 

 

Ein weiterer Dank gilt meiner lieben Lebensgefährtin Christiane Brendlin, ohne die ich unmöglich sicher durch die Nacht gekommen währe, da die Strecke nicht großartig gekennzeichnet werden konnte. Sie begleitete mich komplett im Schritttempo mit ihrem Fahrrad auf der gesamten Strecke, quälte sich durch den Schlamm, Matsch, Pfützen und wich nie von meiner Seite und trat mir zwischenzeitlich sogar kräftig in den Arsch, was manchmal nötig ist.

 

Durch diese Danksagungen müsst ihr Leser da draußen jetzt durch denn sie sind mir wichtig und gehören nicht ans Ende meines Berichts der nun folgt. In Adensen also endlich angekommen, nach einer langen Busfahrt von Hannover über 1h15min trafen wir auch gleich den Heiner, der mit uns die Strecke abfuhr. Auch das war super, da ich sie so noch im Hellen sehen konnte. Der Start war um 06:00 Uhr früh, folglich in der Dunkelheit. Hinzu kommt, dass ich über 10h in der Dunkelheit laufen musste. Folglich ist eine gute Lampe, Orientierung im Hellen und die Hilfe von Christiane unumgänglich bei diesem Lauf! So bereitete ich mich also auf den Start vor und was hatte ich nicht dabei? Die Lampe!!! Ich fühlte mich doch als die größte Ultrapfeife die frei herumlaufen darf! Da stehe ich an einem meiner wichtigsten Rennen und versaue mir meine letzte Chance auf eine Qualifikation für den Spartathlon 2022 selbst damit, dass ich keine Lampe habe und folglich nicht starten kann, weil es keinen Sinn macht?! Unverzeihlich und das wo ich so professionell bin! Ich rief verzweifelt Heiner an und er bot mir an, mir seine Stirnlampe zu leihen, da er ohne klar kommt. Und wieder stand ich tief in seiner Schuld...

 

Bei angenehmen 13 Grad, was viel zu warm für Silvester und diese Jahreszeit war, jedoch gut um Bestzeiten zu laufen, starteten wir also pünktlich um 06:00 Uhr am 31.12.2021 das Rennen. Die Lampe war keine Lupine und half mir nur bedingt, aber es reichte mit der Fahrradbeleuchtung von Christiane aus um klar zu kommen. Ich hoffe nun, dass alle 5 Teilnehmer die sich vorgenommen haben 100 Meilen zu laufen, dies auch inklusive mir tun würden. Zu Beginn war ich recht gut unterwegs. Ich war nicht zu schnell, verbummelte nichts und fühlte mich gut. Die Strecke ging immer von Adensen nach Rössing und zurück. Leider gab es auf der Strecke einen Abschnitt mit viel Wind der nicht immer im Rücken war und einer ca. 600m langen Schlammpassage. Die Schlammpassage war mit Pfützen übersäht und zusätzlich war dort meist Wind. Hinzu kam Regen der nicht stark war, aber auf Dauer schon nervig sein kann. Die Zwischenzeiten alle 5 Meilen musste jeder selbst erfassen. Es lagen sowohl in Rössing als auch in Adensen Listen aus, in die man sich entsprechend einzutragen hatte. So konnte man ausschließen das jemand mogelt. Auch ich sollte hier nicht bevorteilt werden und füllte meine Zeiten selbst aus! Christiane war nur dazu da, dass ich mich nicht sinnlos verlaufe. Den Rest erledigte ich selbst. 

 

So war ich gut unterwegs bis der erste Marathon herum war. Ich habe immer das Problem, dass der erste Marathon gelaufen sein muss, damit mein Körper versteht, dass es heute länger dauert. Dennoch wurde auch ich um die 60km herum müde, mir tat alles weh und die ersten Zweifel kamen auf, ob ich heute überhaupt 100 Meilen laufen könnte. Mir war bewusst, dass ich es tun musste. Auch wenn ich nicht unter 21h rein kommen würde, währe das eine Sache der Ehre für die anderen zu finishen. Zudem war ich zu blöd meine Lampe einzupacken, gefährdete damit noch mein Ziel und das, obwohl der Veranstalter selbst alle Hebel in Bewegung setzte, mir dieses zu ermöglichen! Ich müsste mich ins letzte Loch verkriechen wenn ich jetzt nicht finishe! Nicht unter 21h rein zu laufen kann bei der Belastung wie gesagt natürlich immer passieren. So quälte ich mich also weiter und war froh, die ersten 50 Meilen endlich hinter mich gebracht zu haben. 50 Meilen sind aber weder 100km, noch sind es 100 Meilen - es ist grad mal die Hälfte. Da ich in meiner schlimmsten Phase gerade mal 9:30min/km unterwegs war, konnte ich auch nicht großartig Pause machen, kein Hinsetzen, kein Stehenbleiben - nur das Nötigste erledigen und weiter. Endlich hatte ich die ersten 100km hinter mich gebracht und dafür über 11h benötigt. Ich rechnete mir langsam meine Chancen aus unter 21h rein zu kommen - knapp 9h auf 60km. Das klingt viel aber wenn du verletzt bist, Schmerzen hast und nicht richtig vorwärts kommst, rennt dir die Zeit weg! Zudem war mir klar, marschieren reicht mir nicht aus und mein Tempo muss in Richtung 8:30min/km kommen - sonst war es das mit der Quali. Ich achtete tunlichst drauf nicht unnötig einzubrechen. Salz, Mineralien in regelmäßigen Abständen zuführen, immer in sich rein hören, nicht übermäßig essen um den Magen nicht zu versauen und nur wenn unbedingt nötig am Straßenrand anhalten um sein Geschäft zu erledigen. Nichts riskieren, kein frühzeitiges Aufdrehen, keine unnötigen Gehpausen und immer quälen - sich einfach quälen. Das muss man wollen, aber auch können. Wenn dir alles weh tut und du einfach nicht aufhörst und nicht locker lässt und das über Stunden. Mit dem Maul kann das jeder aber ernsthaft umsetzen ohne blöde Sprüche zu klopfen, das ist was ganz anderes. Christiane munterte mich auf "Das klappt schon, du bist gut dabei, einfach locker durchschnurren wie du das grad machst, das passt!" Pff - locker durchschnurren... Wenn die wüsste... Das mag locker ausgesehen haben aber das war es nicht. Irgendwo um 21:30h herum schätzte ich meine Ankunftszeit ein, evtl. auch ganz knapp drunter. So 20:59h oder sowas. Ich wollte das einfach nur hinter mich bringen irgendwie und schwor mir nach der 7. Runde, dass ich auf jeden Fall das Ziel erreiche - und wenn ich dorthin kriechen muss!!!

 

Ja ich würde es notfalls kriechen und hätte immerhin nach diesem scheiß Jahr wenigstens den Erfolg, endlich wieder mal 100 Meilen erfolgreich beendet zu haben. Unter 24h würde mir das definitiv gelingen, da war ich sicher. Ich machte mir auch klar, dass ich alles versuchen würde. Wenn du wirklich nicht mehr kannst und völlig am Ende bist, ok. Wenn du aber könntest und einfach nicht willst nur weil es weh tut, das geht nicht. 100 Meilen tun nun mal weh. Ich verfluchte dieses Rennen, den Tag, überhaupt das Ultralaufen und stellte mir die immer kehrende Frage WARUM??? Wieso mache ich diesen Scheiß überhaupt?! "Ich kann es, ich will es, ich schaffe es! Du bist doch eine Kampfsau!" Das hat Christiane mir geantwortet nachdem ich "Warum" ins Nirgendwo gebrüllt hatte. Also würde ich sie stolz machen und ja, ich bin eine mentale Drecksau, ein mentales Hirnmonster, eine Maschine, ein Tier, nicht klein zu kriegen und wenn ich nur den Hauch einer Chance sehe hier unter 21h rein zu laufen, dann würde ich das verdammt noch mal versuchen. 

 

Während der 8. Runde und einer Belastung von mittlerweile über 18h ohne Schlaf, ohne Hinsetzen und ohne Rast begann das neue Jahr 2022 und ich erreichte das Ende der 9. Runde um ca. 00:17 Uhr. Ich stellte erfreut fest das ich falsch gerechnet hatte. Ich lief meist um die 8:30min/km herum und rechnete mir aus, dass ich auf 10km somit 83min benötigen würde. Das währen dann 1h23min. Ich hatte nur 2h43min auf 16km!!! Das klingt wenn man fit ist nach viel aber meist fiel ich zwischen Runde 6 und 9 bis auf 9:30min/km ab!!! Über 93min für 10km! Jetzt wurde mir aber schlagartig bewusst, dass eine halbe Runde ja nur 8km und keine 10km sind. Das bedeutet 8km hin und 8km zurück - gut ein paar Zerquetschte drauf, damit man die 100 Meilen erreicht. Fazit, brauchte ich etwas mehr als eine Stunde für 8km. Jetzt war es 00:17 Uhr und ich hatte noch 1 Runde = 16km!

 

Also verschlafen konnte ich nichts und ich musste jetzt irgendwie unter 8min/km kommen. Ich hielt mich weder mit Neujahresgrüßen auf, noch nahm ich unnötig Zeit für Verpflegung in Anspruch. Ich sagte Christiane, dass ich ihr später gratulieren würde und wir jetzt andere Sorgen hätten und als tolle und verständnisvolle Frau war ihr das völlig klar. Die vorletzte Runde war schon ein Kampf und wenn du ständig noch die Zeit im Nacken hast, ist das eine nervliche Zerreisprobe. Es ist auch eine Kunst hier die Nerven nicht zu verlieren und keine schwerwiegenden Fehler zu machen. Wenn man jetzt noch alles mobilisiert und los schlägt, ist man ca. 5km später fertig, büßt das ein und verliert damit alles. Besser versuchen ein mindestens gefordertes Tempo anzuschlagen, das lange zu halten und wenn man merkt es geht aufs Ende zu, wenn möglich nochmal mobilisieren. Ich wollte um 00:00 Uhr ankommen auf der letzten Runde, es sind eben 17min mehr draus geworden. Trotzdem konnte ich jetzt wieder hoffen! Ich konnte hoffen, weil es jetzt doch wieder machbar war unter 21h rein zu kommen! Auf der letzten Runde lief ich schon mal flotter an weil ich einfach auch wusste, es ist das letzte Mal und je eher du es beendest, desto weniger lange musst du leiden. Die Welt retten konnte ich jetzt nicht, aber immerhin die vorletzten 8km um 01:23 Uhr abschließen. Jetzt habe ich fast 1,5h auf 8km - also wenn mir jetzt keine Sehne reißt muss das machbar sein. Spazieren kann ich es nicht aber ich konnte mir leisten, durch die Pfützen und den Schlamm zügig zu marschieren, um auf der befestigten Straße wieder alles raus zu hauen. Normal habe ich kaum Probleme mit Blasen aber durch das stetige durch die Pfützen trampeln, waren meine Füße mittlerweile fast eine einzelne Blase. Die ein oder andere Blase ist geplatzt, was auch ein nettes Gefühl ist... Bei jedem Schritt brennt das und du weißt nicht wie du den Fuß aufsetzen sollst. Dieser verkrampft und die Schienbeinansätze werden dick. Der Rechte Fuß schwoll jetzt stark an, das merkte ich aber erst im Ziel, wo ich kaum noch gehen konnte. Auf den letzten 8km wollte ich es jetzt nochmal wissen und so war ich auf der letzten Geraden Richtung Adensen.

 

Ich gab alles und wenn man am Ende seiner Kräfte ist, können sich Minuten und Kilometer so ziehen - ihr glaubt es nichit. "Drecks Adensen!!!" brüllte ich, weil es einfach nicht und nicht näher kommen wollte und ich keine Kraft mehr hatte 7:30min/km zu halten. Ich blickte auf die Uhr und erkannte, ich könnte heute Bestzeit auf 100 Meilen holen. Ich könnte eine 20:30h Zeit laufen! Ich wollte das wenigstens versuchen. Fakt war, unter 21h war mir jetzt sicher. 600m vorm Ziel gab ich nochmal alles, beschleunigte und schoss mich total ins Aus. Ich konnte die 20:30h nicht mehr knacken aber die 20:35h währen mir sicher! So stoppte ich die Zeit bei 100 Meilen in 20:33h und war überglücklich. Auf den Beinen halten konnte ich mich jetzt nicht mehr. Ich ließ mich auf der Bank nieder, kämpfte mit dem Kreislauf diesen stabil zu halten und schleppte mich nach kurzem Ruhen frierend in kurzen Klamotten mit Christiane ins Bett. Das war in einer R B&B Wohnung, ca 1km vom Ziel weg, wo ich mich jetzt wie ein Zombie hin schleppte. Dort angekommen legte ich mich hin und schlief die halbe Nacht aufgrund der starken Schmerzen nicht ein. Ich nehme normal nie Schmerzmittel aber heute hätte ich gern welche gehabt. Durch die Schwellung tat das rechte Bein so weh das ich nicht wusste wie ich mich positionieren sollte, damit ich ohne Schmerzen einschlafen könnte. Zudem war mir kotzübel. Wenn du dein Ziel aber erreicht hast, setzt dir das alles weniger zu. 

 

Auch alle anderen 4 Mitstreiter erreichten das Ziel und somit haben wir 5 Finisher auf 100 Meilen - 100% Finisher Quote - muss man auch erst mal schaffen! So positiv darf es im Jahr 2022 gern weiter gehen. Einen blöder Spruch musste dann doch noch sein: Ich scherzte mit Alfred so herum, dass ich mein Wochensoll heute Nacht erfüllt hätte und diese Woche alles machen würde, aber bestimmt nicht laufen. Alfred meinte ich solle mich nicht so anstellen, ich hätte im neuen Jahr noch gar nicht so viel gemacht. Ich musste ihm Recht geben wenn man bedenkt, dass ich im neuen Jahr, also von 00:00 Uhr bis 03:00 Uhr ja nur 2h33min gelaufen bin und dabei grad mal 16km gemacht hatte. Die 20h Laufleistung waren ja gestern, also im vergangenen Jahr...

 

So Leuten wie uns hilft der Arzt auch nicht mehr weiter :) 

 

Die Strecke von Adensen nach Rössing
Die Strecke von Adensen nach Rössing