Manchmal tut es einfach nur weh.... Spiridon Halbmarathon 2018

Eigentlich fing alles gut an. Christiane und ich machten uns auf zum Spiridon Halbmarathon um ein geiles Rennen zu laufen und zudem viele nette Menschen zu treffen. Ich bin Vereinsmitglied von Spiridon Frankfurt, man sieht mich aber selten im Verein und dennoch kennt man mich. Weil ich ein Spinner bin, verrückte Dinge tue und angeblich auffalle - aber doch nur positiv oder? Gut, lassen wir das. Jedenfalls ist es mein letztes Aufbaurennen vor dem großen Tag....

Am 22. April 2018, soll ich im World Para Athletic Field im Rahmen des London Maraton 2018, so weit wie möglich unter 3h laufen. Ich rechnete mir eine Zeit um die 1h24min aus. Etwas mehr darf es meinetwegen sein - Theorie und Praxis stimmen nicht immer überein. Fakt ist aber, man ist vom Kopf her beruhigter, je weiter es unter die 1h30min Grenze beim Halbmarathon geht.
Nach dem Aufwärmen sortierte ich mich erst einmal vorne ein. Schließlich bin ich nicht der Langsamste und möchte frei starten können. Ich kam sofort auf mein Tempo nach dem Startschuss und wusste, dass ich ja nicht zu schnell sein durfte. Lieber knapp über 4min/km um dann noch was draufzusetzen, als gleich zu hart unter 4min/km zu gehen. Ich lief den Führenden also nicht nach. Dennoch guckte ich mir eine kleine Gruppe aus, die ca. 100m von mir weg waren. Denen wollte ich in sicherem Abstand folgen. Ich würde sie jetzt nicht einholen. Sie aber in sicherer Entfernung im Blick zu haben, hilft ungemein. Sichtkontakt ist gut bei dem Tempo! Kilometer 4 kam langsam näher und ein Kollege rannte neben mir. "Kriegen wir schon, die kriegen wir, wir bleiben dran!" Ich hatte nicht genug Luft zum Reden und sagte "ja!" Die Jungs vorn noch im Blick, waren sie plötzlich weg. Rechts keine Schritte, dann ging alles sehr schnell. "Hey!! Rechts!!!" Na super! Ich lief gerade aus, ich blindes Huhn, während die anderen rechts abbogen. Dieses unangenehme Manöver kostete Zeit, Nerven und Kraft. Ich hätte kotzen können!!! Das sind die Momente in denen ich mir einen verdammten Guide wünsche.
Lass es 10 Sekunden sein. Die 10 Sekunden sind aber verloren! Ich kann ja nicht übermäßig aufdrehen jetzt. Die Grppe ist natürlich weg, den Kollegen neben mir holte ich zwar wieder ein, der starb aber auf den nächsten Metern weg. Ob er mich später wieder holte oder hinten blieb, ich habe keinen Schimmer mehr. Ich bin eigentlich eine mental harte Sau. Aber ab dem Augenblick war im Kopf das Rennen für mich so gut wie vorbei. Der Sichtkontakt zu den Vorderen war weg. Ich hatte zu kämpfen, mein Tempo wieder zu erlangen. Du wirst von 100 auf 0 ausgebremst und sollst dann wieder auf 100 beschleunigen. Das findet eine Maschine schon blöd, ein Körper der Stress auf Hochtouren ertragen soll, erst recht. Ich kämpfte weiter und merkte so gegen km 7, dass es wieder mal unterträglich schwre wurde und ich Mühe hatte den 4rer Schnitt zu halten.
Anstatt die Fresse zu halten, zu laufen und blöde Gedanken zu verdrängen, hielt ich zwar mein Maul, gab mich aber den Gedanken hin und musste gegen sie kämpfen. "Es tut weh, es ist schwer, ich halte das Tempo nicht. Wie soll das dann in London werden wenn ich das hier schon nicht kann? Ich soll ja nur 4min/km wenigstens laufen, wenn ich schon nicht in der Lage bin unter 4min/km zu laufen!" Schnelle Schritte - und das nicht wenige, überrannten mich jetzt mehr und mehr. Kackte ich langsam ab oder war ich noch da? Laut Uhr hielt ich meine 4min/km und knapp drüber. "Hop, hop, hop!", schallte es vom Streckenrand. Er meinte es ja gut aber in dem Moment hätte ich so gern gesagt: "Halt die Klappe und mach´s doch selbst!" Ich wäre so gern einfach stehen geblieben und hätte mir gesagt, "Aus! Schluss und vorbei! Keine Lust mehr." Den Schreihals hätte ich vermutlich nicht mal angemacht von wegen selbst laufen. Ich war zu müde und mit mir selbst uneins.
Frankfurt ist gar nicht so ganz flach wie es immer heißt. Das zieht sich und ist schon ein bisschen wellig. Ich lief hier einst 2016 eine 1h25min Zeit und in Offenbach, wo es schneller und flacher ist, eine 1h24min Zeit, meine beste bislang auf diese Distanz. Heute nicht.... "Würdevoll sterben könntest du noch, also unter 1h30min rein kommen - wenigstens deine Würde kannst behalten du alter, langsamer Sack!" Plötzlich rief es "Harry komm! Guter Lauf, gut dabei, hau rein, ich bin´s der Kurt!" Der Kurt?? Der Kurt schaut zu? Dann muss ich mich jetzt bemühen. Ich holte nochmal alles raus und dachte mir "Wenn Kurt sagt du bist gut, dann bist du das auch! Dann erfüllst du seine Erwartungen und bist noch dabei!"
Die 1h24min Gruppe zog an mir vorbei mit den Worten "Häng dich ran, komm Junge häng dich dran!!!" Ich versuchte das. Es war mir nicht möglich. "Du wirst eingehen und du wirst es wie ein Mann ertragen jetzt, aber würdevoll!" Ich wollte es wirklich, wollte das Tempo halten, versuchte am Ende (2km vor Schluss) noch anzugreifen, holte mir noch Zwei, wurde wieder überholt, hatte das Gefühl vor diesem verdammten Stadion zu verrecken welches ich schon sah aber noch einmal umrunden musste. Den selben Fehler machte ich hier das aller erste Mal 2011 wo ich dachte, es ist gleich vorbei! 1km ist eben 1km. Den musst du laufen und der tut weh. Er wird nicht weniger wenn du jammerst.
Ich glaube ich habe mich selten so gefreut nicht mehr weiter laufen zu müssen und dieses Gott verdammte Zielbanner endlich zu sehen. Dort angekommen glaubte ich noch eine 1h25min Zeit zu lesen. Das hätte ich noch hinnehmen können. Die schmerzhafte Wahrheit traf mich zu Hause vorm PC, wo ich dann eine 1h27min21sek Zeit lesen durfte. Was eine Schmach...
Tja. Was soll ich Euch erzählen? Es kann nicht immer perfekt laufen. Bestzeit ist Bestzeit, nicht Standard. Sonst währe es ja keine Bestzeit oder? Ich hatte dennoch meinen Spaß! Ich rannte vorne weg, hab vom Alan Lee ein geiles Foto bekommen was ich Euch hier zeigen kann UND ich bin dennoch unter 1h30min geblieben.

Sehen wir´s mal nüchtern: 2016 lief ich 1h25min bei diesem Rennen. Wien im April 2016 schien so sicher wie das Amen in der Kirche. Mit der Zeit MUSS eine unter 3h Zeit einfach drin sein! Und sie war es wegen 19 Sekunden NICHT! Es gelang mir in Frankfurt im Oktober das erste Mal. Im Jahr drauf, 2017, lief ich in Rodgau die 50km auf Teufel komm raus. Ich ging nach Hamburg, um ein Vorbereitungsrennen für den Deutschlandlauf zu machen. Ich legte es weder gezielt auf unter 3h an, noch rannte ich den Halbmarathon im März vorher weil - wozu? In Hamburg war das Wetter wiedrig, ich hätte alles geglaubt, aber nicht unter 3h einlaufen zu können. Und? 2h58min kamen dabei heraus. Jetzt, nach 100km in der Halle im Januar, einem doch schnellen Rennen im Februar im Bergwerk Merkers, bin ich dennoch unter 1h30min auf den Halbmarathon gelaufen und guter Dinge für London. Ich habe noch 6 Wochen Zeit, ich kann noch schneller werden. Ich werde mit Steffen Tien-Fung und Hans Reinhard dort starten. Vielleicht kriegen wir die ersten 30 - 36km eine gute Truppe hin und entscheiden jeder für sich bei 36km,  was er noch wie anstellen kann. Neues Spiel, neues Glück! 

 

Nicht jeder Tag ist gleich, Rennen werden dadurch spannend, dass man sie lebt! Man muss sie erleben. Dieses Rennen war eines der schwersten meiner Karriere bis jetzt. Es tat einfach von Beginn an weh. Manchmal ist das einfach so.